9. Oktober 2019 – Heute wird darüber diskutiert, welche Rolle die Aufforstung von Wäldern im Kampf gegen den die Klimaerwärmung leisten kann. Über die aktuelle Debatte werde ich in meinem nächsten Beitrag eingehen. Zunächst aber lohnt sich ein Blick zurück in die Vergangenheit. In der Schweiz sind ab 1870 beträchtliche Waldflächen aufgeforstet worden. Der Ursprung dafür lag in den grossen Überschwemmungen im 19. Jahrhundert. Wissenschaftler der Universität Bern haben das Hochwasser von 1868 rekonstruiert (Publikation) und dazu auch einen informativen Videofilm produziert.
Mit der Totalrevision der Bundesverfassung erhielt der Bund 1874 erstmals Kompetenzen im Bereich der Forst- und Wasserbaugesetzgebung. 1876 trat das Forstpolizeigesetz und 1877 das Wasserpolizeigesetz in Kraft. In der Folge sind auch umfangreiche Aufforstungen in den Voralpen und im Alpenraum initiiert worden.
Besondere Anstrengungen bei den Aufforstungen unternahm auch der noch junge Kanton Tessin. Ein eindrückliches Beispiel ist am Hang oberhalb von Campo und Cimalmotto im Val Rovana, einem Seitental des Maggiatals, zu bewundern. Ab 1930 sind dort zahlreiche Bäume, vor allem Lärchen und Arven, gepflanzt worden. Es galt einerseits den Rutschhang, der die Existenz von Campo seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder in Frage stellte, zu stabilisieren, andererseits den Schutz vor Lawinen zu verbessern.
Die damals zahlenmässig noch vielen Ziegen, drohten die Bemühungen jedoch zunichte zu machen. Die hungrigen Tiere frassen nämlich alles Mögliche, auch die Triebe der frisch gepflanzten Bäumchen. Um die Ziegen von Bosco Gurin und Cerentino von den Aufforstungen fernzuhalten, ist 1948 eine 300 Meter lange und bis zu drei Meter hohe Mauer bis auf den Gipfel des Pizzo Bombögn gebaut worden. Die Mauer wurde in nur neun Monaten, von April bis Dezember 1948, aufgeschichtet, die Steine dafür aus den umliegenden Felsen geschlagen. Mit den Arbeiten beauftragt war die Firma Airoldi aus Cevio; zahlreiche Arbeiter stammten offenbar aus dem benachbarten italienischen Val d’Ossola. Ergänzt wurde die Mauer in tieferen Lagen mit einem Zaun aus Stacheldraht mit einer Länge von etwa zwei Kilometern.
Die Mauer ist um die Jahrtausendwende instandgesetzt worden. Sie kann heute über weite Strecken als «Treppe» für den Aufstieg zum Gipfel benützt werden (Foto 1 – Foto 2). Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind dafür jedoch Voraussetzung. Beim Abstieg auf den Pfaden neben der Mauer im steilen Gelände ist man froh um Stöcke, die die Gelenke spürbar entlasten.
Der Aufstieg auf den Bombögn ist anstrengend, doch die Mühen lohnen sich. Oben angelangt, bietet sich ein fantastischer Blick auf die umliegenden Gipfel sowie auf die Dörfer Campo, Cimalmotto und Bosco Gurin. Und man ist beeindruckt, was unsere Vorfahren alles unternommen und geleistet haben, um ihren begrenzten Lebensraum zu schützen und nutzen zu können.
Literatur: La croce – il muro – la piantagione. Bombögn. Associazione per la protezione del patrimonio artistico e architettonico di Valmaggia (A.P.A.V.), 2000.