Eine Billion Bäume sollen es richten

Aufforstungen speichern Kohlendioxid, müssen aber auch im ökologischen Kontext überzeugen. (Foto: L. Denzler)

3. Februar 2020 – Nun sind die Bäume also auch in Davos angekommen. Das World Economic Forum WEF, das alljährlich zahlreiche Wirtschaftsführer und Staatschefs versammelt, hat ihr Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel erkannt. Globale Aufforstungen als Rezept zur Begrenzung der globalen Erwärmung. Bäume als Hoffnungsträger und Rettungsanker zugleich.

Das WEF lancierte Anfang Jahr den Plan «One trillion trees», um gemäss eigenen Angaben «der Natur und dem Klima zu helfen». Im Englischen steht eine «trillion» für eine Billion (während die englische «billion» einer Milliarde in der deutschen Sprache entspricht). Mit «1t.org» stellt das WEF eine Plattform für die Trillion Tree Community zur Verfügung. Ziel ist es, bis 2030 eine Billion Bäume zu schützen oder zu pflanzen (eine Billion = 1-000-000-000-000). Die Idee ist bestechend. Und Bäume pflanzen kommt immer gut an. Oder ist es ein Ablenkungsmanöver? Sind die Bäume also ein Feigenblatt?

Gemäss einer Studie von Tom Crowther (er war auch massgeblich an der unter Wissenschaftlern umstrittenen Studie zum Potenzial globaler Aufforstungen beteiligt, vgl. auch weiter unten) wachsen in den gemässigten Wäldern 0,61 Billionen Bäume, in den borealen Wäldern 0,74 Billionen Bäume und in den tropischen und subtropischen Wäldern 1,39 Billionen Bäume (Quelle WSL-Webseite). Gemäss Landesforstinventar zählt der Schweizer Wald knapp 500 Millionen Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 12 cm. Das durch die «1t.org»-Initiative angestrebte Ziel entspricht somit 2000 mal der Anzahl der in er Schweiz wachsenden Bäume.

Donald Trump, der in Davos primär eine Wahlkampfrede hielt, während im eigenen Land der Impeachment-Prozess im Senat begann, sagte, er wolle die WEF-Initiative unterstützen. Greta Thunberg antwortete in ihrer Rede und meinte, Bäume zu pflanzen sei schon gut. Aber es reiche leider bei Weitem nicht. Die Emissionen müssten stoppen, daran führe kein Weg vorbei. Und die junge Frau aus Schweden hat natürlich recht. «20 Minuten» brachte die beiden Persönlichkeiten auf der Titelseite. Der US-Präsident und die Ikone der Klimajugend – unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein.

Eichen speichern Kohlenstoff und sind ökologisch wertvoll.

Auch die Naturschutzorganisationen haben das Thema aufgegriffen. BirdLife International, die amerikanische Wildlife Conservation Society und der WWF des Vereinigten Königreichs haben ihre eigene «Trillion Trees» -Vision. 2017 gegründet, verfolgen sie das Ziel, bis 2050 ebenfalls eine Billion Bäume aufzuforsten oder besser zu schützen. Die Naturschutzorganisationen begrüssten den am WEF vorgestellten Plan. Weil der Name aber verwirrend ähnlich ist, sahen sie sich veranlasst, sich von der WEF-Initiative abzugrenzen (vgl. Statement).

Gewiss, Bäume zu pflanzen, hat ein grosses Potenzial. Wir kennen das aus der Schweiz, als unsere Vorfahren vor 150 Jahren begannen, abgeholzte Berghänge aus Furcht vor Überschwemmungen aufzuforsten. In der Schweiz hat deshalb die Waldfläche seither kontinuierlich zugenommen (vgl. hierzu mein Beitrag Il muro del Bombögn). Das Thema spielte in den letzten Jahrzehnten auch eine wichtige Rolle im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Vereinten Nationen erklärte das nächste Jahrzehnt zur Dekade für Ecosystem Restoration. Den Lead haben die Welternährungsorganisation FAO und das UN-Umweltprogramm gemeinsam inne. Bereits 2011 lancierte Deutschland gemeinsam mit der International Union of Conservation of Nature (IUCN) die Bonn Challenge mit dem Ziel bis 2030 350 Millionen abgeholzter Wälder wieder aufzuforsten.

Diesen Buchen geht es (noch) gut.

Buchenstämme so weit das Auge reicht.

Bäume, Wald und Klimaschutz – das passt alles gut zusammen. Wir müssen das gesamte Repertoire an Massnahmen nutzen, um den Klimawandel in Grenzen zu halten. In einigen Erdteilen steht der Waldschutz sowie die gezielte Wiederbewaldung oder Wiederherstellung von Ökosystemen mit einem ganzheitlichen Fokus im Vordergrund. In anderen Erdteilen geht es um die Förderung einer guten Waldbewirtschaftung, die unter Berücksichtigung der verschiedenen Waldfunktionen auch einen Beitrag zum Klimaschutz leistet (vgl. auch meinen Beitrag von Anfang 2018 sowie den NZZ-Artikel vom 29. September 2018). Synergien sind oft möglich. Gerade dort, wo die Wiederherstellung oder der Schutz von Ökosystemen auch eine ganze Reihe von positiven Effekten für Mensch und Natur mit sich bringt, ist die Chancen zu nutzen.

Das Klimaproblem lässt sich aber nicht mit aufgeforsteten Wäldern alleine lösen. Deshalb müssen sämtliche Initiativen, die sich den Waldschutz oder die Begründung neuer Wälder auf die Fahnen geschrieben haben, aufpassen, dass sie nicht zur irrigen Annahme verleiten, die Bäume könnten es irgendwie schon richten. Ich habe dazu bereits auch schon einen kritischen Beitrag über die ETH-Studie zum Potenzial globaler Aufforstungen verfasst. Wir haben schon viel Zeit verloren, unser Wirtschaftssystem in eine Richtung zu lenken, damit der globale Ausstoss an Treibhausgasen tatsächlich auch in dem Mass reduziert wird, wie es die Klimakonvention von 1992 (eine gefährliche Klimaveränderung verhindern) sowie das Pariser Klimabkommen von 2015 (die Erwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen) festlegen.

 

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