Einen dritten Nationalpark für Bayern?

Ein Plakat bei Mespelbrunn im Spessart (Foto: L. Denzler)

31. Juli 2017 – Henry Makowski lag mit seiner Einschätzung richtig. Der deutsche Naturfilmer und Sachbuchautor verfasste vor 20 Jahren ein Buch über seine Erfahrungen in Nationalpärken auf der ganzen Welt. «Nationalpärke sind (mit nur ganz wenigen Ausnahmen) immer Kampfplätze des Naturschutzes», schrieb er. Und er ärgerte sich über die immer wieder gleichen Argumente der Gegner: Verlust von Arbeitsplätzen, Ruin bäuerlicher Existenzen, Beschneiden von wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten, Enteignung durch die Hintertür. Damals, nach der Wende und der deutschen Wiedervereinigung, entstanden mehrere neue Nationalpärke. Inzwischen gibt es in Deutschland 16 solche Schutzgebiete.

In der Schweiz ist der Parc Adula im letzten Herbst in den Abstimmungen der beteiligten Gemeinden gescheitert. Nach dem Schweizerischen Nationalpark im Engadin hätte er der zweite Nationalpark werden sollen. In der Schweiz einen neuen Nationalpark zu gründen, ist eine schwierige Angelegenheit. Nächstes Jahr wird voraussichtlich die Abstimmung über den Parco Nazionale del Locarnese stattfinden – der Ausgang ist offen.

Wie schaffen es andere Länder? Zum Beispiel Bayern? Genau vor einem Jahr kündigte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer an, in Bayern einen dritten Nationalpark schaffen zu wollen (nach dem Bayerischen Wald und Berchtesgaden). Dabei schloss Seehofer pikanterweise den Steigerwald aus. Also genau jenes Gebiet, das von Naturschutzkreisen seit langem als bestens geeignet bezeichnet wird. Die alten Buchenwälder im Steigerwald würden die beiden bisherigen Nationalpärke Bayerns ideal ergänzen. Naturschützer sehen im Entscheid der bayerischen Regierung vor allem auch ein taktisches Manöver, denn Ministerpräsident Seehofer legte sich bisher für einen weiteren Nationalpark nicht wirklich ins Zeug.

Bei der Suche nach Kandidaten standen im vergangenen Jahr sodann der Spessart, die Rhön (bereits ein Biosphärenreservat), die Donauauen zwischen Ingolstadt und Donauwörth sowie der Frankenwald bei Bayreuth im Vordergrund. Am 18. Juli 2016 gab die bayerische Regierung bekannt, dass der Spessart und der Frankenwald nicht weiterverfolgt würden. Beim Spessart waren die bestehenden Holznutzungsrechte ausschlagegebend sowie die unklaren Auswirkungen auf die Holzwirtschaft, insbesondere auf die Nutzung der Furniereichen. Beim Frankenwald befürchtete man eine massive Veränderung der Fichtenwälder durch Borkenkäferbefall sowie ein Übergreifen auf benachbarte Waldkomplexe (ähnlich wie im Bayerischen Wald). Man konzentriert sich nun also auf die Rhön (zusammen mit dem Bundesland Hessen) sowie die Donauauen.

Unübersehbar, die NEIN-Plakate.

Die JA-Stimmen sind diskreter (Fotos: L. Denzler).

Auf meiner Velotour durch den Spessart und den Steigerwald diesen Sommer begegnete ich zahlreichen Pro- und Kontra-Tafeln in der Landschaft. Und tatsächlich werden überall die gleichen Argumente benutzt!

Im Spessart fürchten sich die Leute um ihre bestehenden Holznutzungsrechte, um das freie Zutrittsrecht, um Wassernutzungen. Das Gebiet ist bekannt für seine Eichen, die langsam wachsen und höchste Furnierholzqualität aufweisen (Foto). Die Waldfläche des bayerischen Spessarts beträgt rund 100’000 Hektaren, die Staatswaldfläche 42’000 Hektaren. Im Vordergrund für einen Nationalpark stehen Flächen, die bereits im Besitz des Staates sind. Mindestens 10’000 Hektaren sollten es sein, und nach IUCN-Vorgaben sind drei Viertel davon der freien Naturentwicklung zu überlassen. Ein Nationalpark im Spessart würde demzufolge rund 10 Prozent der Waldfläche umfassen oder knapp einen Viertel des Staatswaldes.

«Nein danke» auch im Steigerwald.

Oder Chance für die Region? (Fotos: L. Denzler).

Im Steigerwald, der offiziell ja gar nicht mehr im Rennen ist, zeugen immer noch Plakate von den Bedenken der Bevölkerung. Die Plakate der Gegner sind stärker vertreten als die der Nationalpark-Befürworter. Ein prominenter Befürworter ist Georg Sperber, der ehemalige Forstamtsleiter in Ebrach. Er wurde in Deutschland bekannt, weil er konsequent auf eine naturnahe Waldwirtschaft setzte. Deshalb zeichnet sich der Steigerwald bereits heute durch viele Naturwerte aus. Auf diesen könnte ein Nationalpark zweifellos aufbauen. Naturschutzkreise berufen sich auch auf eine 2016 bei der Bevölkerung in der Region durchgeführte Umfrage, die auf eine solide Mehrheit für einen Nationalpark im Steigerwald hinweist.

Braucht Bayern einen dritten Nationalpark? Das wären dann Nummer 17 in Deutschland. Doch Deutschland benötigt auch Rundholz. Wird es nicht im eigenen Land produziert und genutzt, muss mehr importiert werden. Aber dennoch sollte es möglich sein, einen gewissen Teil der Fläche aus der Nutzung zu nehmen. Im Buchenwaldgebiet Deutschlands gibt es bisher zwei etwas kleinere Nationalparke in Thüringen (Hainich) und in Hessen (Kellerwald-Edersee), einen in Nordrhein-Westfalen (Eifel) mit atlantisch geprägten Buchenmischwäldern sowie den jüngsten Nationalpark in Rheinland-Pfalz/Saarland (Hunsrück-Hochwald). Ein weiteres Schutzgebiet im Kerngebiet der mitteleuropäischen Buche mit alten Buchenwäldern wäre eine gute Sache. Es könnte auch Teil des UNESCO-Weltnaturerbes der Buchenwälder werden.

Der Forstbetrieb Ebrach im Steigerwald erhält in Bezug auf Biodiversitätsaspekte schon heute sehr gute Noten. Naturschutz lässt sich zweifellos mit Holznutzung kombinieren. Fragt sich somit, was denn eigentlich der Mehrwert eines Nationalparks wäre? Die Absicherung vor Rückfällen in alte forstwirtschaftliche Muster wäre dadurch wohl etwas grösser. Und der Prozessschutz auf einer doch etwas grösseren Fläche könnte für die langfristige Erhaltung der Biodiversität schon relevant sein. Der grösste Wert aber liegt in der Symbolik – ein Stück Natur einfach Natur sein lassen. In einer intensiv genutzten und dicht besiedelten Landschaft ist das nicht wenig. Doch dies sollte mit dem Bewusstsein gepaart sein, dass unser Rohstoff- und Energiekonsum eigentlich viel zu hoch ist und drastisch zu reduzieren ist, um zukunftsfähig zu sein.

 

Nachtrag Juni 2018: Nachdem Markus Söder neuer Ministerpräsident Bayern geworden war, entschied er im April 2018, dass das Projekt eines dritten Nationalparks für Bayern auf Eis gelegt wird.

 

Die Argumente im Spiegel der Plakate im Spessart:
Plakat 1, Plakat 2, Plakat 3, Plakat 4

Die Argumente im Spiegel der Plakate im Steigerwald:
Plakat 1, Plakat 2, Plakat 3, Plakat 4

 

Weitere Beobachtungen und Geschichten